2 Siedlungsgeschichte
Quellen:
− Begemann, Ina (2003): Palynologische Untersuchungen zur Geschichte von
Umwelt und Besiedlung im südwestlichen Harzvorland, Dissertation zur Erlangung
des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultäten der
Georg-August-Universität zu Göttingen, Göttingen
− Rösener, Werner (2010): Die Wüstungen des Spätmittelalters und der Einfluss der
Klimafaktoren, Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte (ZHG) Band 115
Das Harzvorland in der Zeit der Völkerwanderung (375 –568)
Vor der Völkerwanderungszeit war das Harzvorland von germanischen Stämmen besiedelt. Die Siedlungsaktivität war im Vergleich zu angrenzenden Regionen wie dem Leinetal gering. Zum Ende des römischen Reichs drängten immer mehr zuvor unterdrückte Stämme in römisches Gebiet vor. Dabei kam es auch zu starken Bewegungen der germanischen Stämme. Am Anfang der Völkerwanderung stand 375 n. Chr. der Einfall der Hunnen in nordpontisches Gebiet. Sie endete 568 mit der Wanderung der Langobarden nach Oberitalien.
Aus der Völkerwanderungszeit gibt es nur wenige Überlieferungen. Im Harzvorland wurde die Besiedlung wahrscheinlich dünner. Wie eine Siedlung nahe Düna zeigt, lebten aber nach wie vor Menschen in dem Gebiet.
In der Zeit der Völkerwanderung bildeten sich die späteren germanischen Königreiche heraus. Sie hatten entscheidenden Einfluss auf das Mittelalter. In Westeuropa entstand unter dem Merowinger Chlodwig das Reich der Franken. Die Franken konnten ihr Reich immer weiter vergrößern. Es reichte 768 schließlich über Hessen hinaus bis an den Harzrand.
Das südwestliche Harzvorland lag damit im Spannungsfeld der von Westen herandrängenden Franken, des Königreiches der Sachsen im Norden und des Thüringischen Königreiches im Osten und Südosten. Da die Franken und Sachsen das thüringische Reich 531 eingenommen hatten, lag das Harzvorland zum Ende der Völkerwanderungszeit im Einflussbereich der Sachsen.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frankenreich_768-811.jpg
Besiedlung im Früh- und Hochmittelalter (700 – 1250)
Die Franken und Sachsen führten ab dem 8. Jahrhundert verschiedentlich Krieg gegeneinander, nachdem die Karolinger im Frankenreich an die Macht gekommen waren. Im Harzvorland war die Pipinsburg bei Osterode wahrscheinlich eines der Ziele dieser Angriffe durch die Franken. 804 waren die Franken schließlich siegreich, verleibten sich die sächsischen und friesischen Gebiet ein und christianisierten sie.
Im Harzvorland und anderen neuen Herrschaftsgebieten trieben die Franken ca. 775 bis 800 die innere Landesentwicklung durch die Gründung neuer Dörfer voran. Dabei handelte es sich meist um Straßendörfer, die typischerweise auf „-rode“ oder „-ingerode“ („Rodung“) enden. Damit sind sie klar zu unterscheiden von bereits existierenden Dörfern wie Palithi = Pöhlde, Dorstide = Dorste, Foresazi = Förste, Wolfenni = Wulften, Hörnde = Hörden oder Dunede = Düna.
Nach der Teilung des Karolingischen Reiches 843 führte der Druck von außen durch slawische Stämme dazu, dass sich ein sächsisches Stammesherzogtum bildete, das auch das heutige Harzvorland kontrollierte. Dieses Herzogtum wurde seit ca. 850 vom Haus der Liudolfinger angeführt.
Sie hatten viele Besitzungen rund um den Harz sowie an der Oberweser. Unter anderem waren die Pfalzen Pöhlde und Grone wichtige Herrschafts- und Verwaltungssitze der sächsischen Könige.
Unter den Liudolfinger kam es zu einer weiteren Phase des inneren Landesausbaus. Zum einen wurden Befestigungsanlagen gebaut, zu denen vermutlich die Burg Lichtenstein gehört. Zum anderen gründeten sie weitere Dörfer, die typischerweise auf „-hausen“ enden. Häufig wurden dafür Wälder gerodet und somit die verfügbare Ackerfläche vergrößert.
Das Hochmittelalter (1000 bis 1250) war gekennzeichnet von einem starken Bevölkerungswachstum bei gleichbleibender Produktivität der Landwirtschaft. In einigen Gegenden Deutschland verdreifachte sich die Einwohnerzahl. Im Harzvorland wurden daher ab ca. 1200 weitere Orte angelegt, die auf „-hagen“ enden.
Sie lagen häufig auf schlechten Böden, da fruchtbare Gebiete schon von anderen Dörfern belegt waren. In einigen Fällen ist zu beobachten, dass Dorfstellen auf die Hügel ausweichen mussten, welche die fruchtbaren Täler umgeben. Diese als „Grenzertragsflächen“ bezeichneten Lagen ließen sich nur unter günstigen klimatischen und ökonomischen Bedingungen so bewirtschaften, dass sie
sowohl genug Nahrungsmittel für den Eigenbedarf erbrachten, als auch die Abgaben an den Landesherren ermöglichten.
Quelle: Pfalzenarbeitskreis Sachsen-Anhalt, http://www.iges.ovgu.de/pfak.html
Die Entwicklung im Spätmittelalter (1250 – 1500)
Nachdem der Hungertyphus bereits in Mitteleuropa gewütet hatte, dezimierte die Beulenpest von 1340 bis 1380 die Bevölkerung weiter. In der Folge brachen die Getreidepreise ein und es kam zu einer Krise des ländlichen Raums (Agrarkrise). Da die Bauern nicht frei in ihrer Entscheidung über die anzubauenden Nutzpflanzen waren (allgemeiner Flurzwang), konnten sie nicht auf andere Pflanzen ausweichen und erfuhren starke Einkommensverluste. Während dieser Phase kam es im 14. Jh. zu einer größeren Wüstungsperiode.
Zusätzlich litt die Landbevölkerung verstärkt unter den zahlreichen Fehden und Kriegen der Landesherren. Ein Beispiel dafür im Harzvorland waren die Feldzüge des grubenhagenschen Herzogs Albrecht II., der als äußerst fehdefreudiger Landesherr galt. So wurde das westliche Harzvorland im 14. Jahrhundert für einige Jahrzehnte besetzt, da 1365 Friedrich, Landgraf von Thüringen, die
zwischen Stauffenburg und Osterode gelegenen Schlösser und Burgen im Krieg gegen Herzog Albrecht II. einnahm. Albrecht konnte die Gegend allerdings in der Folgezeit zurückerobern, so dass sie weiter zum Herzogtum Grubenhagen gehörte.