Der Junkernhof
Heimatkundliche Betrachtungen über den Junkernhof in Dorste
Bis zur Neuordnung der Straßennamen und Hausnummern in Dorste, hieß das Areal von Heinrich Linsenhoff und Karl Wedemeyer bis zur Hinterdorfstraße der „Junkernhof“.
Man kann davon ausgehen, dass von den „Lindolfinger“ Herzögen und Königen hier schon ein Versorgungs- und Verwaltungszentrum am Rande des Liesgaus geschaffen wurde.
Von „Dorstede“ - „Dorstide“ - Dorste führten viele mittelalterliche Wegeverbindungen – die noch in ihrer Form zu erkennen sind – in Richtung Pöhlde, Mötlingerode, Einbeck, Gandersheim, Gittelde und Seesen. Schon aus diesem Grund war es wichtig, den damals wohl spärlichen Reiseverkehr in die richtigen Bahnen zu lenken und auch Wegezoll zu erheben.
Bis zum Erscheinen der „Junker Lutharsen“ (Leuthorst) in Dorste 1385 waren es die „Hoyen“ als Lehnsleute der Lindolfinger. Als der Lindolfinger Herzog Heinrich, der spätere König Heinrich der I., seine erste Frau, die Grafentochter Hateburg aus Merseburg nach Gandersheim holte, werden wohl auch zum Schutz Ritter und Knappen mit dem Namen Hoyer dabei gewesen sein. (Anmerkung: im Raum Merseburg hat es schon um 900 nach Chr. zahlreiche „Hoyer“ Familien gegeben, von denen auch Hoyerswerda gegründet sein soll.)
Wenn nun Herzog Heinrich treuen Dienern und Gefolgsleuten Grundbesitz zukommen ließ, so könnten es die Hoyen und von Dyke (de Piscina) gewesen sein. Diese Namen sind auch nach der Jahrtausendwende noch in vielen Urkunden zu finden (Hoyen zuletzt in Osterode etwa 1380, in Hammenstedt 1450, in Eboldshausen 1468).
Da nun König Heinrich I. wegen der Ungarnüberfälle den Burgenbau anordnete und den Aufbau eines Reiterheeres befahl, könnten auch die Hoyen die Burgbesatzung gestellt haben. – Die Stelle der Burg ist auf der Karte von 1780 in der Mitte des Dorfes noch gut zu erkennen.
Als Hedemann 1698 das Leuthorstsche Gut für 10.000 Taler gekauft hatte, war viel zu regeln in Dorste. Es werden viele verwahrloste Grundstücke gewesen sein, die seit der Hoyen-, von Dyke- und Leuthorstzeit auf neue Bewirtschafter warteten. Tüchtige und verdiente Mitarbeiter des Hedemannschen Gutsbetriebes werden auf diese Weise wohl zu eigenen Grundstücken gekommen sein. So zum Beispiel der Hedemannsche Kutscher Friedrich Wiese zu seinem Eigentum im Oberdorf.
Mehrere Urkunden liegen vor, die dem Hedemannschen Förster Friedrich Leopold erlaubten, auf dem ehemals Leuthorstschen Lehnplatz auf dem Junkernhof ein Diensthaus mit Scheune zu bauen. Als Gegenleistung waren Dienstleistungen zu erbringen, z.B. Hafer mähen. Als Gutsherr unterschreibt Adam von Hedemann, Hochwohlgeboren. Das war im Jahre 1765. Außerdem erhält Leopold einen Gras- und Baumgarten, hinter Dommes Scheune gelegen.
1830 tauscht von Hedemann mit dem Sohn von Förster Leopold den Grasgarten gegen den großen Junkerngarten neben der damals noch vorhandenen Junkernscheune.
Nach einem vorliegenden Testament der Witwe des Schneidermeisters Leopold von 1846, erbt ihre Nichte Friederike Vollbrecht (Mitteldorf) den damals so genannten Junkernhof, verheiratet sich mit Carl Heinrich Linsenhoff und wird auf dem Junkernhof sesshaft.
Auch der Vater des Regierungsbaumeisters Linsenhoff ist auf dem Junkernhof geboren.
Im Erbgang ist der Junkernhof später von Heinrich Linsenhoff an Wilhelm Degener 150 gekommen und gehört jetzt Rolf Degener, Dorste/Ingolstadt.
Junkernhof etwa um 1920. Links im Bild der Kellereingang (jetzt als Kellerhaus wieder aufgebaut), links über dem Hauseingang ein "wilder (oder deutscher) Mann", eine Fachwerkkonstruktion, die in Dorste nur noch an drei Häusern zu sehen ist.
Vor einigen Jahren ist die Scheune durch Blitzschlag eingeäschert worden. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr blieb das Wohnhaus unbeschädigt.
Das oberirdisch wieder aufgebaute Kellerhaus ist wohl der älteste Teil der historischen Hofstelle. Es ist aus Bruchsteinen in Gewölbeform gebaut und liegt zu 80 % in der Erde. Ich selbst habe über Jahrzehnte darin mit dem Onkel Heinrich Vorräte gelagert. Auch das Brot hielt sich darin lange frisch. Es ist zu wünschen, dass dieses ansehnliche Gebäude noch lange dem Ortsbild erhalten bleibt.
Es ist schwer vorstellbar, dass an dieser Stelle ein Gutsbetrieb möglich war. Es werden wohl zahlreiche Kötnerhöfe und ein Meierhof gewesen sein, die zu Abgaben verpflichtet waren und die nötigen jahreszeitlichen Arbeiten und die Viehhaltung erledigt haben. Bei einer Kopfsteuererhebung im Jahre 1689 wohnten auf dem Junkernhof 8 Personen: 1 Amtmann, 1 Hofmeister, 1 Witwe, die Haus und Hof verwaltet, 1 Kuhhirte, 1 Ackerjunge, 1 Großmagd und 2 Kleinmägde.
1698, beim Verkauf des Junkernhofes an Hedemann sind 651 Morgen Land, Wiesen und Wald vorhanden gewesen.
Auf einer Karte von 1780 sind rund um den großen Junkerngarten 13 Gebäude verzeichnet ("Dreieck" rechts oberhalb der Kirche/Kreuz). Die meisten waren eher Hütten. Links anschließend sind einige Kötnerhöfe zu sehen und der Meierhof Armbrecht 24. Dieser Meierhof wurde als herrschaftlicher Meierhof bezeichnet, hatte also nichts mit Hedemann oder dem Michaeliskloster zu tun. Der Hof wird seit etwa 1690 von der Familie Armbrecht bewirtschaftet und gehört jetzt Karl Wedemeyer als direktem Nachkommen.
Auch auf diesem Hof ist ein Kellerhaus vorhanden, mit 60 cm dicken Bruchsteinmauern zur Aufbewahrung von Vorräten.
In Urkundenbüchern finden sich folgende Einträge: „Der Meier Hans Löhne in Dorste ist 1696 in Dorste gestorben. Seine Erben sind unzufrieden, weil ein Familienfremder den Meierhof bekommen hat.“
Bei der Bemeierung wurden auch Bedingungen gestellt und bei der Bemeierung des Hans Schapper aus Dorste so formuliert: „Er soll auf dem Hofe keine neuen Gebäude errichten.“, so geschrieben 1602 und auch 1616. Um welche Meierhöfe es sich handelt, ist ohne weitere Nachforschungen so nicht zu erkennen.
Bei einem Umbau auf dem Meierhof Armbrecht im Jahre 1977 wurde eine weiter südlich vom jetzigen Wohnhaus befindliche alte Haustür ausgebaut mit der Inschrift: „Johann Christov Armbrecht ¡ Marie Lisbet Armbrecht geb. Meir. Den 18. Juli, Anno 1763“.
Wenn nun einer denkt, die Meierhöfer wären etwas Besonderes gewesen, so täuscht er sich. Anhand alter Dorfkarten und aus jahrzehntelanger eigener Erfahrung kann man sagen, es war sehr beengt und armselig bei „Meierhöfers“, zumindest in Dorste.
Auf unserem Hof, Nr. 24, war auch eine Kürassierstube/-kammer, die bei Militäraktivitäten zur Verfügung gestellt werden musste. Auch wenn man einem Meierhof einen tausendjährigen Bestand bescheinigen kann, ist es heute nicht mehr möglich, mit dem landwirtschaftlichen Einkommen noch auszukommen.
Im Oktober 2017
Karl Wedemeyer