der Edelhof / Kanzlerhof / Doktorhof
Von 1560 – 1595 wohnt auf der zum Schloss umgebauten Burg und Klosterberg in Katlenburg-Duhm der alte Fürst von Grubenhagen.
Der Diener des Fürsten, in Urkunden als Ofenheizer bezeichnet, Braun Gerlach, heiratet ein adeliges Mädchen namens Anna von Vetterott (Watterodt) und erbittet sich vom Fürsten einen Hof zur Familienversorgung. Er hat dabei den Sattelhof [1] in Dorste im Auge.
Dieser Hof war nach alten Urkunden schon 1330 im Besitz von Ludolf von Medenheim [2] und 1456 noch im Besitz von Johann von Medenheim. Es kann gut sein, dass zu Braun Gerlachs Zeiten der Hof vom Besitzer „losgestorben“ war, wie man damals sagte und als herzogliches Lehen neu zu vergeben war. Braun Gerlach bekommt den Hof und wird „reisiger Knecht“ [3] beim Fürsten, der zu Verwaltungsaufgaben zwischen Katlenburg – Dorste – der Stauffenburg – Gittelde und Amt Herzberg sehr häufig unterwegs war.
Die Familie Braun Gerlach hat einen Sohn, der Hans von Dorste genannt wird und kinderlos bleibt.
Nach dem Aussterben der Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen im Jahr 1596 entbrennt ein langjähriger Streit innerhalb des Welfenhauses um deren Erbschaft. Während die Wolfenbüttler Herzöge das Fürstentum besetzt halten, versucht die in Celle residierende Linie der Welfen vor kaiserlichen Gerichten ihre Erbansprüche auf Grubenhagen durchzusetzen.
Der Kanzler Dr. Johann Jagemann, der die Grubenhagener Erbschaftssache für seinen Wolfenbüttler Landesherrn vertritt, wird nach dem Tod des „Hans von Dorste“ Anfang des 17. Jahrhunderts mit dem Edelhof belehnt und bewohnt ihn mit seiner Familie.
1617 endet der Erbstreit mit der Herausgabe des Fürstentums Grubenhagen durch die Wolfenbüttler an die Celler Linie des Welfenhauses.
Ab diesem Jahr wohnen die Hedemanns auf dem Edelhof. „Weil derselbe ihm und seinem Bruder Ernst 20 Jahre treulich gedient und Inbesonderheit die Grubenhagensche Successionssache als darin bestallten Advocatus zum Beschluss gebracht" belehnt 1618 der in Celle residierende Herzog Christian von Braunschweig seinen Kanzler Dr. Erich Hedemann mit einem Gutshof in Dorste, dem sieben weitere Bauernhöfe angehören.
Dr. Hedemann bewohnt und verwaltet den Edelhof von 1618 – 1636. Das eigentliche Hedemannsche Stammgut entsteht. Die Familie übt u. a. durch die Leibeigenschaft in den folgenden 250 Jahren einen starken Einfluss auf das wirtschaftliche und kulturelle Leben der Dorster aus.
Hofrat Dr. Ernst Christoph von Hedemann hält das Gut in den Jahren 1636 – 1680. Die Familie von Hedemann, die um 1650 die Wiederverleihung ihres Adelstitels beim Kaiser erreicht, kann ihre Besitzungen in Dorste im 17. Jahrhundert erheblich vergrößern. So wird z.B. die Dorster Papiermühle, die bereits 1619 die Papierproduktion aufgenommen hatte, 1646 durch die von Hedemanns angekauft.
Von 1680 bis 1704 wird der Edelhof von Oberst Johann Georg von Hedemann übernommen und geführt.
Im August 1698 verkauft der Kurfürstliche Braunschweigsche Rittmeister Friedrich Heinrich von Leuthorst sein adeliges freies Lehn- und Rittergut in Dorste, den in der Nähe der Kirche liegenden Junkerhof, samt allen Zubehörungen und den davon dependierenden [4] Afterlehnen für 10.000 Taler an den Oberst.
Am 18. Februar 1699 belieh nun der Kurfürst Georg Ludwig den Obersten v. Hedemann mit den "von dem Rittmeister v. Leuthorst resutirten Gütern, nämlich mit allen den Gütern, welche Ludolf Hardegen sehl. gehabt, gelegen zu Dorste, Rickmarßhausen und Ellinghausen, mit allen den Gütern, so Henrich von der Lippe sehl. hiebevor vom Fürstenthum Grubenhagen zu Lehn gehabt in und vor Wulften oder wo sie gelegen seien, mit einem Meierhofe gelegen im Dorfe und auf der Feldmark zu Dorste, den die Leuthorst Ilsen Segel Uders sehl. Wittwen abgekauft, …"(I, 527)
Von 1704 - 1772 ist Oberstleutnant Adam August Friedrich von Hedemann Inhaber des
Edelhofs.
Mitte des 18. Jahrhunderts besitzen die von Hedemanns zwei große Meierhöfe und 27 kleinere Bauernhöfe in Dorste. Die Pächter ihrer Höfe sind zu Naturalabgaben, Geldabgaben und so genannten Diensten, also Arbeitsleistungen, verpflichtet. Der Reichtum der Adelsfamilie erlaubt es, ein großes, schlossartiges Gutshaus mit ausgedehnten Parkanlagen zu unterhalten.
Das "adeliche Hedemannsche Stamm-Guth" auf einem kleinen Temperabild von 1768. In der Mitte das von Oberst Johann Georg von Hedemann erbaute Herrenhaus. Rechts das Bade- und Brauhaus, der Kuh- und Rinderstall und vorne ein kleinerer Pferdestall sowie Tor und Pforte. Links sieht man den Schafstall, den großen Pferdestall mit darüber liegenden Kornböden, dahinter ein zweistöckiges Wohnhaus von 1682. Hinter dem Haupthaus liegt der große "Lustgarten", rechts ein Obstgarten hinter dem "Vorwercks-Gebäude". Ganz im Hintergrund sieht man die Katlenburg.
Temperabild aus der Gegenrichtung. Jetzt im Vordergrund der "Lustgarten". Im Hintergrund vor dem Lichtenstein Dorste mit der Kirche mit altem Kirchturm.
Rückseite des Haupthauses auf einem Gemälde.
Fotos (3): Stadtarchiv Osterode
Hauptmann Christian Friedrich von Hedemann (1772 - 1788), Hauptmann Hartwig Johann von Hedemann (Generalmajor und Stadtkommandant der Stadt Hannover, Kommandeur des Guelphen-Ordens und Johanniter-Ritter, 1788 - 1816), Friedrich-Wilhelm von Hedemann (Hauptmann und Inhaber der Waterloo- Medaille, Erbherr zu Dorste und Elvershausen ,1816 - 1859) folgen als Besitzer.
Mitte des 19. Jahrhunderts verarmten die Hedemanns. Die Familie von Hedemann kam im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der aufwendige Lebensstil, der Verlust von Einnahmequellen durch die Ablösung und schließlich im Jahr 1858 der Bankrott des Celler Bankhauses Hostmann, das große Summen der Familie von Hedemann verwaltete, hatten diese Entwicklung herbeigeführt. Der jüngere Bruder des Gutsherrn, Ernst Friedrich von Hedemann (1800 – 1864), konnte als Hofmarschall der Königin Marie von Hannover seinen Einfluss geltend machen und das Stiftsgut Northeim für eine sehr günstige Pacht auf seine Familie übertragen. Doch als der Hofmarschall, als Verwalter der Hand- und Schatullkasse der Königin und der Filialschatullkasse des Königs, wenig später Gelder der Königin unterschlug und dafür ins Zuchthaus geworfen wurde, hatte die Dorster Adelsfamilie keine Möglichkeit mehr, ihr Stammgut zu halten.
Hauptmann Carl von Hedemann (1859 – 1865) verpachtet zunächst den Hof. Sein Sohn Carl, Premierleutnant, verkauft ihn 1876 für 120.000 Taler an den Kaufmann Friedrich Ohlmer, der auch sämtlich auf dem Hof lastenden Schulden übernehmen mußte.
Damit ist nach über 250 Jahren ist der Edelhof im Jahre 1876 endgültig nicht mehr im Besitz der Adeligen von Hedemann.
1882 werden Gutsgebäude, Barockgarten und Holzungen an die Dorster Realgemeinde veräußert und in die Verkoppelungsmasse aufgenommen.
Zwischen 1708 und 1859 werden insgesamt 25 Mitglieder der Hedemannschen Adelsfamilie im Dorster Kirchturm beigesetzt.
Gruft in der St. Cyriaci-Kirche, Dorste, „Nec Aspera Terrent“ = Das Widrige möge nicht schrecken“, Wahlspruch der Familie von Hedemann, Fotos: Ralf Gießler
Mit dem schlossartigen Haupthaus, das einem Feuer zum Opfer fällt, verschwindet im Jahre 1928 das imposanteste Gebäude des Edelhofes.
Haupthaus des Edelhofes im Jahre 1912 (Von links nach rechts, hintere Reihe: Wilhelm Uhe, Auguste Gebhardt, Luise Uhe geb. Thies, Anna Könemund (Ehefrau von Lehrer Karl Könemund), Auguste Uhe, Minna Diedrich mit Karl Könemund jun. geb. 1908 (auf dem Arm), daneben Gustav Uhe. Vordere Reihe: Else Könemund geb. 1905, Lina Deppe, Georg Uhe - der letzte Bäcker im Herrenhaus und später bis 1934 im Neubau)
Ein Jahr zuvor brannte bereits die große Scheune nieder.
Nach dem Wiederaufbau der Scheune beginnt Familie Armbrecht den Hof landwirtschaftlich zu nutzen. 1937 zieht die Familie schließlich auf den Edelhof und bewirtschaftet diesen bis heute.
[1] Ein Sattelhof (auch Saddel-, Sadel-, Sedel-, Setel- oder Zedelhof) war ein von Frondiensten und vielen Abgaben freies Gut, auf dem die Gerichtsbarkeit über die zu ihm gehörenden Höfe ruhte. Im Kriegsfall war ein berittener Bewaffneter zu stellen. Größere Sattelhöfe hatten zum Teil auch mehrere Pferde und Reiter zu stellen. Die Bezeichnung ist abgeleitet von dem altsächsische Wort „sedil“, mit der Bedeutung „Ansiedlung, Sitz“. Sedilhove taucht um 1080 bis 1100 als eine befestigte Stätte auf. Im späteren Mittelniederdeutschen entstand aus sedil, sadel, das in der späteren Kanzleisprache zu hochdeutsch sattel wurde.
[2] Das Namen gebende Stammhaus des Geschlechts ist die untergegangene Ortschaft Medenheim, auch Medehem oder Medeheim, die zwischen Northeim und Sudheim lag. Die Familie, deren Zweige zum Teil bis heute bestehen, gelangte später vor allem in Kurland, Russland, Polen und Preußen zu Besitz und Ansehen.
[3 ] Als Reisiger, Reisige, Reißige oder reisiger Knecht wurden im Mittelalter gewappnete Dienstleute oder berittene Begleitpersonen bezeichnet. Im 16. Jahrhundert bezeichnete man mit diesem Begriff einen (bewaffneten) Reiter im Gegensatz zum Fußvolk. Sie galten nicht als Söldner. Der Begriff leitet sich ab von „reisen“; „Reise“ bedeutete früher so viel wie Kriegsfahrt. Reisige (Reismanni, Reisläufer, Reisleute) waren daher solche, die auf des Herrn Geheiß Reisen (Kriegszüge) machen mussten.
[4] abhängigen